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"Origin, resume - all nonsense! We all come from some small town Jüterbog or Königsberg and in some Black Forest we will all end" (Gottfried Benn) Therefore just a stenogram: Thomas Huebner, born in Germany, studied Economics, Political Science, Sociology, German literature, European Law. Consulting firm in Bulgaria. Lived in Germany, Bulgaria, Albania, Egypt, Turkey, Syria, Indonesia and Jordan. Now residing in Prishtina/Kosovo. Interested in books and all other aspects of human culture. Traveler. Main feature: intellectual curiosity

Avrom Sutskever: Mein Vater

Mein Vater (Mayn Tate)

Mein Vater ist eine Eisscholle auf den Flüssen Sibiriens, –
Meine Mutter ist ein Scheiterhaufen auf Viliyas Morast,
Doch beide sind sie in mir,
Der Scheiterhaufen und die Eisscholle.
Mein Kind, sie werden in mir sein
Auch hinter meinen geschlossenen Augen –
Der Scheiterhaufen und die Eisscholle.

aus: Avrom Sutskever (1913-2010), Poetishe Verk, Band 2, 1963

Zog Nit Keynmol as du geyst DEM LETSTN VEG

Avrom Sutskever – Photo: aus “Musique dans les Ghettos”, Claude Torres

Übersetzung aus dem Jiddischen von Thomas Hübner

 

© Avrom Sutskever, 1963
© Photo Claude Torres 
© Thomas Hübner and mytwostotinki.com, 2014-6. Unauthorized use and/or duplication of this material without expressed and written permission from this blog’s author and/or owner is strictly prohibited. Excerpts and links may be used, provided that full and clear credit is given to Thomas Hübner and mytwostotinki.com with appropriate and specific direction to the original content.

vielleicht

vielleicht

vielleicht ein häuschen mit garten, den mittelklassewagen in der garage
(die hypothek ist in dreißig jahren abbezahlt)
eine nette frau und vielleicht ein oder zwei kinder
eine sichere arbeit, vielleicht als lehrer oder sparkassenangestellter
alles so wie bei den andern
nur vielleicht eine spur grösser und adretter
die vorstellungen meiner eltern von einem gelungenen leben für mich
waren überschaubar und bodenständig
nicht überraschend in anbetracht dessen was sie erlebt hatten

vielleicht gab es ja doch eine verwechslung im krankenhaus nach der geburt
wie wären sie sonst zu diesem nomadensohn gekommen

Skopje, 29.07.2016


 

Auf Bulgarisch kann man das Gedicht hier lesen – vielen herzlichen Dank wieder an Vladimir Sabourin!

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Again Women in Translation Month

Incredible how fast one year has passed – another Women in Translation Month!

My modest contribution to Women in Translation Month is an overview regarding the books by female authors (or co-authors) I have reviewed, mentioned or from which I have translated texts (poetry) that I have published on this blog since last years’ Women in Translation Month:

Bozhana Apostolowa: Kreuzung ohne Wege
Boika Asiowa: Die unfruchtbare Witwe
Martina Baleva / Ulf Brunnbauer (Hg.): Batak kato mjasto na pametta / Batak als bulgarischer Erinnerungsort
Veza Canetti / Elias Canetti / Georges Canetti: “Dearest Georg!”
Veza Canetti: The Tortoises
Lea Cohen: Das Calderon-Imperium
Blaga Dimitrova: Forbidden Sea – Zabraneno more
Blaga Dimitrova: Scars
Kristin Dimitrova: A Visit to the Clockmaker
Kristin Dimitrova: Sabazios
Iglika Dionisieva: Déjà vu Hug
Tzvetanka Elenkova (ed.): At the End of the World
Tzvetanka Elenkova: The Seventh Gesture
Ludmila Filipova: The Parchment Maze
Sabine Fischer / Michael Davidis: Aus dem Hausrat eines Hofrats
Heike Gfereis: Autopsie Schiller
Mirela Ivanova: Versöhnung mit der Kälte
Ekaterina Josifova: Ratse
Kapka Kassabova: Street Without a Name
Gertrud Kolmar: A Jewish Mother from Berlin – Susanna
Gertrud Kolmar: Dark Soliloquy
Gertrud Kolmar: Das lyrische Werk
Gertrud Kolmar: My Gaze Is Turned Inward: Letters 1938-1943
Gertrud Kolmar: Worlds – Welten
Harper Lee: To Kill a Mockingbird
Sibylle Lewitscharoff: Apostoloff
Nada Mirkov-Bogdanovic / Milena Dordijevic: Serbian Literature in the First World War
Mary C. Neuburger: Balkan Smoke
Milena G. Nikolova: Kotkata na Schroedinger
Nicki Pawlow: Der bulgarische Arzt
Sabine Rewald: Balthus: Cats and Girls
Angelika Schrobsdorff: Die Reise nach Sofia
Angelika Schrobsdorff: Grandhotel Bulgaria
Tzveta Sofronieva: Gefangen im Licht
Albena Stambolova: Everything Happens as it Does
Maria Stankowa: Langeweile
Danila Stoianova: Memory of a Dream
Katerina Stoykova-Klemer (ed.): The Season of Delicate Hunger
Kathrine Kressmann Taylor: Address Unknown
Dimana Trankova / Anthony Georgieff: A Guide to Jewish Bulgaria
Marguerite Youcenar: Coup de Grâce
Edda Ziegler / Michael Davidis: “Theuerste Schwester“. Christophine Reinwald, geb. Schiller
Rumjana Zacharieva: Transitvisum fürs Leben
Virginia Zaharieva: Nine Rabbits
Anna Zlatkova: fremde geografien
The Memoirs of Glückel from Hameln

What remarkable translated books by women have you read recently or are you reading right now?

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Anekdote aus dem Kalten Krieg

H. war in den ersten Jahren, nachdem er als Ergebnis schier endloser Fahrstunden den Führerschein bei der Bundeswehr erworben hatte, ein grottenschlechter Autofahrer. Das allein wäre sicher nicht der Erwähnung wert, jedoch wollte es eine Instanz, die wir für gewöhnlich gedankenlos “Schicksal” nennen, die aber einfach das Resultat bürokratischer Prozesse war, deren Logik sich dem Normalsterblichen entzog, dass H. in seiner Dienstzeit beim Militär – 15 Monate und 12 Tage; die 12 Tage sind eine andere Geschichte, die hier nichts zur Sache tut – nicht nur als Nachschubbuchführer, sondern auch als Kraftfahrer, und zwar als Chauffeur von Staffelführer Hauptmann Z., Dienst tun sollte. Der Staffelführer, ein korrekter, wenngleich manchmal leicht cholerischer Mann, schätzte H.’s unsicheren und leicht chaotischen Fahrstil durchaus nicht. Ein Unfall mit Sachschaden trug dazu bei, dass beide, H. und Z., der nächsten gemeinsamen Autofahrt mit erheblicher Nervosität entgegensahen.

Am betreffenden Morgen setzte sich Z. etwas zögerlicher als sonst in den Dienstwagen, den H. steuern sollte. Nachdem der Wagen das Kasernentor passiert hatte und um die erste Kurve gebogen und das Kasernengelände außer Sicht gelassen hatte, gab Z. das für H. überraschende Kommando: “Anhalten!” Kaum zum Stillstand gekommen erfolgte ein noch überraschenderes zweites Kommando: “Aussteigen! Fahrerwechsel!” Reichlich verdutzt stieg H. aus und ging um das Fahrzeug herum zur Beifahrertür, während der entschlossen wirkende Z. sich bereits ans Steuer des Wagens gesetzt hatte. Ohne ein weiteres Wort zu wechseln fuhren Gefreiter H. und der ihn chauffierende Hauptmann Z. an diesem Tag mehrere hundert Kilometer und absolvierten, von mehreren ebenfalls schweigend verbrachten Kaffee- und Essenspausen unterbrochen ihr Tagespensum, dessen Sinn sich H. ebenso wenig erschloss wie sein Dienstposten als Fahrer.

Als sie am Abend auf der Rückfahrt wieder an den Platz kamen, wo morgens der unerwartete Fahrerwechsel stattgefunden hatte, hielt Z. den Wagen an und stieg mit dem diesmal eine Spur beiläufiger klingenden Kommando: “Fahrerwechsel!” aus, wonach sie erneut die Plätze tauschten und H. die letzten 200m den Wagen mit Hauptmann Z. auf dem Beifahrersitz in die Kaserne lenkte, so dass für Außenstehende keineswegs etwas Bemerkenswertes zu verzeichnen war. Dieses kleine Schauspiel für den Rest der Kompanie, die von dem Geheimnis, dass der Hauptmann und der Gefreiter teilten, nie etwas erfahren sollten, wiederholte sich von diesem Moment an während des überwiegenden Teils von H.’s Dienstzeit mehrmals wöchentlich.

Auf die gelegentliche Frage, wie er denn seine Militärzeit zugebracht habe, antwortete H. später stets wahrheitsgemäß, dass er, H., diese Zeit hauptsächlich damit verbracht habe, sich von seinem Dienstvorgesetzten tagelang durch den Hunsrück und den Westerwald chauffieren zu lassen.

Prishtina, 23.07.2016 

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die katze döst auf dem heißen pflaster

die katze döst auf dem heißen pflaster
ihre atemzüge sind fast unmerklich
aber regelmäßig
sie weiß nicht
dass wir das zeitalter der ausbeutung
immer noch nicht beendet haben
sie weiß nicht
dass der mensch immer noch
dem menschen ein wolf ist
sie weiß nicht
dass das angeblich einzige lebewesen
welches zu mitgefühl und nächstenliebe fähig ist
trotzdem immer neue methoden der versklavung
folter und auslöschung ersinnt und anwendet
jetzt schlägt sie ihre geheimnisvollen
ägyptischen augen auf
und sieht mich an
sie weiß nicht
warum ich mich schuldbewusst
abwende

 

Herceg Novi, 10.07.2016

Eine bulgarische Übersetzung dieses Gedichts durch den Dichter und Literaturwissenschaftler Prof. Dr. Vladimir Sabourin von der Uni Veliko Tarnovo findet sich hier. Dort gibt es auch ein mir gewidmetes Gedicht – welche Ehre! Danke, Vladimir!

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zwei drittel

zwei drittel des glases
ausgetrunken
der rest
schon etwas schal
und abgestanden

weh dem
der symbole sieht

 

Herceg Novi, 10. Juli 2016

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The value of literature

Sofia, Vitosha Boulevard, monument of the writer Aleko Konstantinov (author of Bay Ganyo).

J26 219 Blvd. Vitoša, Aleko Konstantinov.jpg

I am asking Dimi (7 years old), if he knows who the person is.
He answers: yes!  –  The guy on the 100 Leva banknote!

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Стойността на литература

Витошка, паметник на Алеко Константинов.

Питам Дими (7-годишна възраст), ако той знае кой е човекът.
Той отговаря: Да! Човекът на 100 лева банкнота!

#BulgarianLiteratureMonth2016

Photo: By Falk2 – Собствена творба, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=49783967

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Bulgarian Literature Month 2016 – update

Due to a lot of work and travelling, I am a bit late with my wrap-up of the first Bulgarian Literature Month 2016. Therefore today just a short note:

I have read 14 books for BulgarianLitMonth, half of them poetry collections, all in Bulgarian. Three of the other books I read also in Bulgarian, none of these books is so far published in a foreign language. Samples of my translations (in German) from the poetry books have already appeared on this blog.

When I was announcing Bulgarian Literature Month 2016, I was not sure if there would be any interest by other bloggers or readers. Fortunately the participation of some of my fellow bloggers ensured a really amazing interest in Bulgarian Literature. Thank you all, I am very grateful!

A link list with all blog posts related to Bulgarian Literature Month and a more detailed wrap-up will follow soon; I intend also to publish reviews of the other six prose books I read. Time constraints will delay that a bit, but I will definitely post them in the upcoming weeks.

#BulgarianLiteratureMonth2016

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“Die Frauen von Bordeaux”, von Vladimir Sabourin

Жените на Бордо
ще бъдат смугли.
 
Светлоокият мъж
се връща луд
сред меките хълмове
на Швабия.
 
Във френските плантации
край Сантяго
господарките говорят френски
робините йоруба.
 
 
—————————–
 
 
Die Frauen von Bordeaux
werden dunkelhäutig sein.
 
Der helläugige Mann
kehrt verrückt heim
zu den sanften Hügeln
Schwabens
 
Auf den französischen Plantagen
in der Nähe von Santiago
sprechen die Herrinnen Französisch
die Sklavinnen Yoruba

 

 

aus: Vladimir Sabourin: bakarena fabrika (Kupferfabrik*), Stiftung “Literaturen Vestnik”, Sofia 2015

*Die “Kupferfabrik” ist ein ausgesprochen heruntergekommener Friedhof in Sofia, ein Ort an dem Arme und sozial Deklassierte “entsorgt” werden; ein wahrhaft deprimierender Ort absoluter Hoffnungslosigkeit.

Übersetzung aus dem Bulgarischen von Thomas Hübner

 #BulgarianLitMonth2016

© Vladimir Sabourin, 2015
© Foundation "Literaturen Vestnik", 2015
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“Lied der vietnamesischen Arbeiter”, von Vladimir Sabourin

Песен
на виетнамските работници
 
Ние сме идеалните заварчици
за корабостроителниците
на Голямата Река
стигахме до най-трудните места
в железните утроби
А под нас изтичат водите
на сухите докове
Така искаме да се трудиме
докато всичко изтича
и да е изтекло тихо
под бръмченето на електрожените.
 
 
———————————————————–

Lied
der vietnamesischen Arbeiter
 
Wir sind die idealen Schweißer
für die Schiffswerften
des Großen Flusses
wir erreichen die schwierigsten Stellen
der eisernen Schöße
Unter uns verebben die Wasser der Trockendocks
So wollen wir uns abmühen
bis alles verebbt
und still erloschen ist
unter dem Brummen der Schweißgeräte.

 

aus: Vladimir Sabourin: bakarena fabrika (Kupferfabrik*), Stiftung “Literaturen Vestnik”, Sofia 2015

*Die “Kupferfabrik” ist ein ausgesprochen heruntergekommener Friedhof in Sofia, ein Ort an dem Arme und sozial Deklassierte “entsorgt” werden; ein wahrhaft deprimierender Ort absoluter Hoffnungslosigkeit.

Übersetzung aus dem Bulgarischen von Thomas Hübner

 #BulgarianLitMonth2016

© Vladimir Sabourin, 2015
© Foundation "Literaturen Vestnik", 2015
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